Samstag, 28. Oktober 2017

Privatisierung im roten Wien am Beispiel des Gesundheits- und Sozialbereiches

Hier folgt nun der dritte Teil einiger älterer Texte zur Privatisierung, der sich mit Ausgliederungen im Sozial- und Gesundheitsbereich in Wien auseinandersetzt. Dieser Text hat nichts von seiner Aktualtität verloren, da die Privatisierung des Gesundheits- und Sozialbereiches mit hoher Wahrscheinlichkeit ganz oben auf der Agenda einer schwarzblauen Regierung stehen wird.

In den letzten Jahren ist es auch in Wien zu einer rasant fortschreitenden Privatisierung bzw. deren Vorstufe – der Ausgliederung – gekommen. Und diese sind keinesfalls, wie zu erwarten wäre, von SchwarzBlauOrange ausgegangen, sondern von der SPÖ.

Besonders dramatisch ist dabei die Ausgliederung im Sozial- und Gesundheitsbereich, welche rein rechtlich schon durchaus eine Privatisierung ist. In diesem Bereich verzichtet die Stadt Wien mit der Ausgliederung jener Institutionen, welche den Großteil der dafür zur Verfügung stehenden Budgetmittel verwalten, nicht nur auf die Durchführung, sondern auch auf die Steuerung und Planung der öffentlichen Leistungen in diesen zentralen Bereichen des Sozialstaates.

Geschichte


Ausgliederungen im Wiener Sozialbereich sind nichts Neues. Bereits Ende der 1950er wurde das heutige Kuratorium Wiener PensionistInnenwohnhäuser ausgegliedert.

Die professionelle Betreuung von Jugendlichen wurde in den 1970ern gleich von Anfang an als ausgegliederter Bereich organisiert. Eine Reihe weiterer Sozialeinrichtungen ist zwar formal privat, real aber durch finanzielle Abhängigkeiten und persönliche Verflechtungen (Gemeindebedienstete und/oder -politikerInnen in den leitenden oder Aufsichtsgremien) vollständig unter Kontrolle der Gemeinde Wien. Der größte Brocken im ausgegliederten Bereich ist wohl der Krankenanstaltenverbund (KAV), welcher ca. 40.000 Beschäftigte hat. Auch so sensible Bereiche wie die sogenannten Gemeindekindergärten werden schon längst als Magistratische Betriebe geführt, was rein rechtlich nichts anderes bedeutet, als dass sie privatwirtschaftliche Betriebe sind, die im Besitz der Gemeinde Wien stehen.

Ein kleiner aber feiner Unterschied, der insbes. im Rahmen der Vergaberichtlinie der EU von Bedeutung sein wird, sobald diese auch auf den Sozial- und Gesundheitsbereich angewendet wird. Solange nämlich die öffentliche Hand Sozial- bzw. Gesundheitsleistungen immer selbst erbringt, müssen diese entsprechend dem EU-Recht nie ausgeschrieben werden. Sobald diese Leistungen aber einmal nach Außen vergeben wurden, und nach Außen ist in diesem Fall auch ein Betrieb im eigenen Besitz, müssen diese immer ausgeschrieben werden, so dass sich alle potenziellen AnbieterInnen um die Erbringung dieser Leistungen bewerben können. Und dann regiert das Geld – mit dementsprechenden Auswirkungen auf die Qualität der Leistungen und die Arbeitsbedingungen.

Wohin eine solche Politik führen kann, zeigt zum Beispiel das National Health Service in Britannien. Dieses kurz NHS genannten System wurde 1948 eingeführt, um allen Menschen eine kostenlose und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Seit den späten 1980ern aber werden immer mehr und mehr Krankenhäuser privat als profitorientierte Unternehmen geführt, mit der Folge z.B. dass die Zahnmedizin für den Großteil der Bevölkerung unleistbar geworden ist oder auch nur jene mit über 70 Jahren noch neue Hüftgelenke bekommen, die das selbst bezahlen können. Angefangen hat das alles mit einer ähnlichen Konstruktion wie dem Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV).

Ein anderes Beispiel für die dramatischen Auswirkungen bei der Privatisierung von Sozialleistungen ist die Flüchtlingsbetreuung. Auch hier – wie in so vielen anderen Bereichen – zeigt Britannien den Weg vor, wie es nicht gehen darf. Gefängnisähnliche Anhaltelager, die ohne qualifiziertes Personal kaum Betreuung bieten und das sogenannten Taschengeld in Form von "vouchers" (Gutscheinen) auszahlten. Diese konnten nur bei einer einzigen Supermarktkette eingelöst werden, welche – so ein Zufall – indirekt jener Firma gehört, die auch die Flüchtlingslager betreibt. Diese Firma besitzt unter anderem auch Anteile am Eurotunnel unter dem Ärmelkanal und kann so bereits auf eigenem Betriebsgelände die künftigen "KundInnen" für ihre Lager abfangen.

Nach einer Ausschreibung durch das Innenministerium betrieb diese Firma einige Jahre lang auch das Flüchtlingslager Traiskirchen, das in dieser Zeit immer öfter in die Schlagzeilen geriet. Ihr Name? European Homecare, der größte europäische Sozialmulti.

Und bei der Bewerbung um Traiskirchen hat diese Firma den künftigen Weg vorgezeigt. Betreuungsstandards und Qualität haben nichts gezählt. Einzig der Preis hat über den Zuschlag entschieden. Und da sind Multis auf Grund ihrer finanziellen Potenz unschlagbar, dumpen andere AnbieterInnen, die inhaltlich oft viel besser qualifiziert sind, aus dem Rennen und übernehmen einen Bereich Stück für Stück, so dass sie schließlich zum Monopol werden und dann die Preise erhöhen bzw. diktieren können, um so den erwarteten Reibach einzufahren. Ist das der Weg der Zukunft?

Fonds Soziales Wien


Die größte HeldInnentat unter dem Deckmäntelchen der erforderlichen Vorbereitung auf die EU-Vergaberichtlinie ist die Ausgliederung großer Teile der Wiener Sozialverwaltung in den Fonds Soziales Wien (FSW). Dieser wurde Anfang 2001 gegründet und hatte anfänglich mit dem Arbeitsbereich Suchtkrankenhilfe und einem Budget von rund zehn Millionen Euro sozialpolitisch kaum Bedeutung.

Bis Mitte 2004 hat sich daran trotz geringen Wachstums und Ausweitung der Arbeitsbereiche auf die Gesundheitsförderung auch kaum etwas geändert. Doch dann kam mit der Umsetzung der von der Gemeinderatsmehrheit bereits im ersten Halbjahr 2003 beschlossenen Strukturreform "Soziale Sicherheit in Wien" der dicke Hund: Verzehnfachung des Personals und Verfünfzigfachung des Budgets durch die nahezu vollständige Ausgliederung zweier ehemaliger Magistratsabteilungen (MA 12, MA 47) in den FSW.

Wo aber liegen die Probleme? 1. Ein Fonds gehört niemandem außer sich selbst. Die politische Kontrolle seiner Tätigkeit durch die Gemeinde Wien ist also mehr oder weniger freiwillig. 2. Dieser Fonds agiert privatwirtschaftlich, wie er selbst auf seiner website schreibt. 3. Die Gemeinde Wien gibt somit die Steuerung eines der zentralen Bereiche öffentlichen Handelns ab. Behindertenarbeit, Wohnungslosenhilfe, Hauskrankenpflege und anderes werden "privatwirtschaftlich", und damit in letzter Konsequenz unter dem Diktat des Geldes, aber nicht entsprechend der Bedürfnisse der Menschen, organisiert.

Bei all dem geht es um ganz schön viel: Weit über eine Milliarde städtischer Mittel jährlich ohne Kontrolle durch den Gemeinderat (die einzig mögliche Sanktion wäre es, den Fonds nicht mehr mit Geld zu beglücken), rund 1.300 MitarbeiterInnen und ihre Arbeitsbedingungen im Fonds und dessen Tochter-GmbHs geregelt durch einen eigenen Kollektivvertrag, 300 geförderte Sozialeinrichtungen mit geschätzt 30.000 Beschäftigten. Ein Gesamtbudget von bald zwei Milliarden. Davon wird der Großteil zur Finanzierung privater Sozialeinrichtungen verwendet. Der Fonds Soziales Wien investiert damit jährlich deutlich mehr als die ÖBB. Er hat ein viel größeres Budget als die Stadt Linz.

Auswirkungen


Hier gilt es drei verschieden Bereiche zu unterscheiden: geförderte Sozialeinrichtungen, KlientInnen und Beschäftigte.

Im Bereich der geförderten Einrichtungen kam zu einer Umstellung von Förderungen durch die Gemeinde Wien zu privatrechtlichen Leistungsverträgen mit dem FSW. Genaue Abrechnungen sind nichts schlechtes; wenn in den Verträgen allerdings Bestimmungen enthalten sind, welche zu Verschlechterung der Leistungen und der Arbeitsbedingungen führen müssen, dann sieht die Sache ganz anders aus.

In manchen dieser Verträge stehen zum Beispiel Bestimmungen, welche das österreichische Arbeitsrecht brechen. So müssen die Beschäftigten einiger Einrichtungen ihren kompletten Jahresurlaub im jeweiligen Kalenderjahr verbrauchen, wohingegen im Urlaubsgesetz geregelt ist, dass bis zu drei Jahre Urlaubsanspruch angesammelt werden dürfen. Und damit sind wir schon bei der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen angelangt.

Den in den FSW ausgegliederten Gemeindebediensteten wurde versprochen, dass sich bei ihnen nichts verschlechtern wird. Entsprechend der Salamitaktik kommt aber ein kleiner Nadelstich nach dem anderen: Verschlechterung bei der Abrechnung von Dienstfahrten, Druck zum Umstieg in die Gleitzeit und dadurch Verringerung der Einkommen, da Überstundenzuschläge entfallen, deutlich erhöhter Arbeitsdruck usw.

Sozialpolitisch verantwortungsvoll agiert dieser Fonds beim besten Willen nicht. Enorm hohe Arbeitszeiten mit horrenden Überstundenzahlen führen dazu, dass zahlreiche mögliche Arbeitsplätze nicht geschaffen werden. Die privatrechtlich angestellten KollegInnen verdienen noch schlechter als die Gemeindebediensteten, welche ihrerseits schon weit unter den Gehältern in vergleichbaren privaten Sozialeinrichtungen liegen. Von der Privatwirtschaft darf hier noch gar nicht einmal geträumt werden. Innerhalb der Privatangestellten gibt es für den Sozialbereich unglaubliche Einkommensunterschiede zwischen der breiten Basis und einigen wenigen SpitzenverdienerInnen, die sich bedienen als wären sie SpitzenmanagerInnen in der Industrie.

Überteuerte und krankmachende Büroflächen, welche die vorherigen Kosten bei weitem übertreffen, Werbekampagnen für eine Institution, die in Wien derzeit über ein Monopol verfügt, ständige kostenintensive Übersiedlungen, der Wechsel des Logos und damit verbundene Kosten für neues Briefpapier, Visitenkarten, Kuverts usw. usf. All dies zeigt, um was es wirklich geht: Das Prestige der SpitzenmanagerInnen, welche selbstverständlich alle aus der sozialdemokratischen Spitzenbürokratie kommen. "Gut verkaufen und darstellen, aber nichts Gescheites leisten" könnte das passende Motto für diesen Fonds für den Sozialabbau in Wien sein! Doch wo bleiben dabei die MitarbeiterInnen? Und wo der dringend erforderliche Ausbau und die Verbesserung öffentlicher Sozialleistungen für die, welche sie brauchen?

Auch im Bereich der KlientInnen hat es über die Jahre zahlreiche Verschlechterungen gegeben. Obwohl der FSW selbstverständlich keine KlientInnen hat, sondern nur mehr KundInnen, da er es schließlich nur mit mündigen BürgerInnen zu tun hat. Tatsache ist aber, dass der Fonds auch für die Behindertenhilfe zuständig ist oder die Pflege sehr alter Menschen. Und demente oder geistig Behinderte sind halt leider nicht so mündig, wie es der üblichen gesellschaftlichen Vorstellung entspricht, so wünschenswert dies auch wäre.

Trotzdem sollen sie jetzt ganz normale Geschäftsbeziehungen (Verträge) mit dem Fonds Soziales Wien eingehen, auf deren Basis dann die sie betreuenden Sozialeinrichtungen finanziert werden, statt in geförderten Einrichtungen Leistungen zu bekommen. Wie das funktionieren soll, mag vielleicht Milton Friedman der Gottvater des Neoliberalismus und des New Public Management (das Mantra auch der Gemeinde Wien) erklären können, sonst aber auch niemand. Tatsache ist und bleibt unabhängig davon, dass in Anbetracht politisch gewollter knapper öffentlicher Budgets für den Sozialbereich Leistungskürzungen unausweichlich sind. Und diese rollen seit vielen Jahren!

Der KundInnenbegriff, welcher von der Gemeinde Wien im Rahmen des New Public Management (kurz gesagt öffentliche Verwaltung entlang privat- und betriebswirtschaftlicher Leitlinien) und in der Folge auch von ausgegliederten Sozialeinrichtungen zunehmend verwendet wird, spricht Bände über die dahinter stehende Ideologie. Was ist ein Kunde bzw. eine Kundin? Ein Mensch, der in eines von vielen Geschäften geht, also die Auswahl hat, etwas kauft und dafür Geld auf den Tisch legt. Wenn das Gekaufte nicht passt, kann es zurückgegeben werden, oder mensch kauft halt beim nächsten Mal in einem anderen Geschäft ein. Oder wenn das Angebot nicht passt, geht er oder sie gleich woanders hin.

Wie aber verhält es sich mit Sozialleistungen? Bestimmte Leistungen werden von einer Fülle verschiedener privater Träger erbracht. Hier gäbe es also theoretisch noch eine gewisse Auswahl. Tatsache ist aber, dass in den meisten Bereichen die Angebote der verschiedenen Einrichtungen so spezialisiert sind, dass es de facto kaum eine Auswahl gibt. Der KundInnenbegriff kann alleine schon aus diesem Grund bestenfalls begrenzt verwendet werden. Vom Menschenbild her ist dieser eine Perversion sondergleichen!

Wie aber sieht es mit der Finanzierung dieser Leistungen aus? Bis auf jene, die reich genug sind, sich alles leisten zu können (und die nehmen ohnedies keine öffentlichen Sozial- und Gesundheitsleistungen in Anspruch), ist die riesengroße Mehrheit bei der Finanzierung von Sozial- und Gesundheitsleistungen auf Mittel der öffentlichen Hand angewiesen. Und diese haben sie durch Steuern und Sozialleistungen ohnehin selbst finanziert. Insofern ist es unerträglich, sie in die Rolle von BittstellerInnen von Wohlfahrtsstaat und -einrichtungen zu zwingen, da es bei vielen Gesundheits- und Sozialleistungen keinen verbindlichen Rechtsanspruch gibt.

Tatsache ist aber, dass die öffentliche Hand bei der Finanzierung von Sozial- und Gesundheitsleistungen für die breite Masse der Bevölkerung ein Monopol hat. Niemand anderer bietet diese Leistung an und das ist auch gut so. Das bedeutet aber auch, dass die öffentliche Hand und ihre ausgegliederten Unternehmen in diesem Bereich, wie etwa KAV oder FSW, darüber entscheiden, wer Anspruch auf Leistungen hat und wer nicht. Niemand kann also hingehen und sich diese Leistung einfach bei der Gemeinde Wien oder dem FSW kaufen. Es wäre ja auch absurd etwa die Leistung "Finanzierung von Hauskrankenpflege für Person X" zu kaufen. Dann könnte mensch ja gleich selbst dafür bezahlen. In Anbetracht dessen führt sich der KundInnenbegriff vollkommen ad absurdum.

Das macht deutlich, dass dieser Begriff in letzter Konsequenz nichts anderes ist als ein ideologisches Deckmäntelchen für das, um was es in Wirklichkeit geht. Heute öffentliche Gesundheits- und Sozialleistungen sollen ausgegliedert und sodann vollständig privatisiert werden, was sicher nicht die Absicht aller politischen EntscheidungsträgerInnen ist, die aber wohl die Augen vor der Wirklichkeit verschließen.

Diese Leistungen sollen damit morgen dem Diktat des Marktes und der Logik des Profits unterworfen werden. Und dann würden wir alle wirklich KundInnen. Nur jene, die über ausreichende Mittel verfügen, könnten sich dann noch Gesundheits- und Sozialleistungen kaufen – als KundInnen mit dementsprechenden Rechten. Der KundInnenbegriff soll uns also heute schon auf die Zukunft vorbereiten – auf ein Gesundheits- und Sozialsystem, das genau so funktioniert wie eine Bank oder ein Verkehrsbetrieb. Doch wo bleiben hier die Menschen – Beschäftigte und LeistungsbezieherInnen? Die breite Masse nirgends bzw. auf der Strecke!

Mit den Menschen statt für sie!


Wie viele nationale und internationale Beispiele eindeutig belegen, können Sozial- und Gesundheitsleistungen nur unter der Kontrolle der öffentlichen Hand halbwegs sinnvoll und hochwertig erbracht werden. Daher darf es in diesem Bereich öffentlicher Leistungen keine Privatisierungen und Ausgliederungen geben! Aber auch die seinerzeitige hoheitliche Fürsorge (Wohlfahrt) ohne Mitsprache der Betroffenen hat nicht funktioniert.

Die Lösung kann daher nur in einem öffentlichen Gesundheits- und Sozialsystem bestehen, das – finanziert aus stark progressiven Steuern für die Reichen, etwa auf Besitz, Kapital und Gewinn – unter Kontrolle der Beschäftigten und LeistungsbezieherInnen jene Leistungen erbringt, die die Menschen wirklich brauchen!

Alles andere kann nur dazu führen, dass auch noch die letzten weißen Flecken auf der Weltkarte des Profits eingefärbt werden – mit rot (Verlust) oder schwarz (Gewinn). Zahlen würden dann auch diesen enorm wichtigen Bereich öffentlicher Daseinsvorsorge regieren, genauso wie heute schon die Privatwirtschaft. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für Kultur, Bildung, Verkehr und alle anderen Formen öffentlicher Leistungen. Diese dürfen der Profitlogik nicht unterworfen werden und müssen direkt vom Staat oder der Gemeinde erbracht werden. Aber auch hier dürfen wir nicht stehen bleiben!

Denn eine Volkswirtschaft, die in ihren wesentlichen Zügen – und das ist nun einmal der produktive Sektor – nach den Kriterien des Profits organisiert ist, tendiert notwendigerweise dazu, auch alle andern Branchen dieser Logik zu unterwerfen. Und in letzter Konsequenz regiert die zentrale Logik eines jeden Wirtschaftssystems selbstverständlich auch in jenen Bereichen, die ihr scheinbar nicht unterworfen sind. Der Profit regiert schon längst all das, was heute als Non-Proft-Organisationen bezeichnet wird, und damit auch den Sozial- und Gesundheitsbereich.

Eine Welt, in der die Menschen und nicht das Geld zählen, ist daher nur möglich, wenn die Logik des Profits durch die Lebensbedürfnisse der breiten Masse der Bevölkerung ersetzt wird. Alles andere ist eine folgenschwere Illusion, die nur zu einer weiteren Verschlechterung der Lebensstandards, höherer Arbeitslosigkeit und fortgesetztem Sozialabbau führen kann. Auch das ist einer der Gründe, warum alle bewussten BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen für eine Wirtschaftsform eintreten, in welcher entsprechend den Bedürfnissen der Menschen geplant wird. Und das kann nur in einer Wirtschaft der Fall sein, wo es keinen Privatbesitz an Produktionsmitteln und an Firmen mehr gibt, wo alles der Gesellschaft gehört, und diese auch Produktion und Verteilung in einer demokratischen Art und Weise kontrolliert.

Und was bitte tun die Gewerkschaften?


Im Gegensatz zu vielen anderen Ausgliederungen und Privatisierungen hat es bezogen auf den Fonds Soziales Wien wenigstens irgendeine Reaktion der Gewerkschaften gegeben. Über zwei Jahre lang gab es die "Plattform Soziales in Wien", welche die Interessen der von der Ausgliederung im Wiener Sozialbereich betroffenen Lohnabhängigen vertreten hat. In ihr waren BetriebsrätInnen und die damals betroffenen Gewerkschaften (GdG, GPA, HGPD) vertreten. Auch die gewerkschaftsübergreifende Form dieser Zusammenarbeit gemeinsam mit BasisbetriebsrätInnen war ein durchaus bemerkenswerter Fortschritt.

Konnte die Plattform zu Anfang ihres Bestehens auf Basis eines kämpferischen Forderungskataloges und einer klaren Ablehnung jeglicher Privatisierung und Ausgliederung im Sozial- und Gesundheitsbereich noch spektakuläre Aktionen (Podiumsdiskussion mit über 200 BesucherInnen, öffentliche Aktion beim Rathaus am Tag der Ausgliederung, dem 01. Juli 2004) setzen und für die Betroffenen einen gewissen Attraktionspol darstellen, so hat sie sich am Schluss zunehmend auf Sitzungen von BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen reduziert.

Kein Wunder, wurde doch auch außer einem Gemeinderatsbeschluss, der bis heute vom FSW ignoriert wird, obwohl er von der heute zuständigen Stadträtin miteingebracht wurde, nichts erreicht, und wenn eigentlich nichts getan wird, dann haben gestresste Beschäftigte eben weder Zeit noch Interesse, sich an fruchtlosen Diskussionen zu beteiligen!

Die Ursache dafür lag oberflächlich betrachtet in einer ellenlangen Diskussion über die Struktur der Plattform begründet. Die neue Struktur billigte scheinbar den Betroffenen die letzte Entscheidung zu; tatsächlich räumte sie aber den Gewerkschaften ein Vetorecht ein. Wo diese nicht "mitkonnten", machten sie halt nicht mit. Aber welche Druckmittel hatte die Plattform ohne Unterstützung der Gewerkschaften? Und warum bitte soll nicht die Basis entscheiden, was wirklich Sache sein soll, was und wie es die Gewerkschaften machen sollen?

Tatsächlich aber ging es darum, dass sich Teile der sozialdemokratische Gewerkschaftsspitze ihr gutes Gesprächsklima mit der sozialdemokratischen Stadtregierung nicht verscherzen wollten bzw. als GemeinderätInnen die Interessen der Stadtregierung statt ihrer Gewerkschaften vertraten. Daher haben die damaligen Führungen von GdG und GPA (im Gegensatz zur HGPD!) auch immer wieder gegen öffentliche Aktionen argumentiert – auch, um nicht die Kontrolle über die viel kämpferischere Basis zu verlieren – und sich letztlich durchgesetzt, mit dementsprechenden Auswirkungen auf die Beschäftigten, also einer schleichenden Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen in dieser Frauenbranchen, wo es ohnedies unterdurchschnittliche Arbeitsbedingungen gibt.

Alles in allem handelt es sich also um ein perfektes Lehrstück reformistischer Politik: Während in kämpferischen Reden auf Gewerkschaftstagen und Pressekonferenzen die Verschlechterungen für die Beschäftigten mit schönen Worten abgelehnt werden, gab es in der Praxis kaum Taten, die diesen Worten folgten. Nur wenn die Basis bestimmt, was in der Gewerkschaft Sache sein soll, kann sich das ändern!

Und genau das ist die Lehre aus der Plattform: Aktionen in den Betrieben und auf öffentlichen Plätzen, wo potenzielle NutzerInnen verkehren, sind das Gebot der Stunde, also Klassenkampf von unten unter der demokratischen Kontrolle der betroffenen Beschäftigten statt sozialpartnerInnenschaftlichem Mauschelkurs der Gewerkschaftsspitze von oben!

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